Sonntag, 15. September 2019

15.09.2019 - Meissen und das Porzellan


Im 17. Jahrhundert steht ganz Europa im Bann des chinesischen Porzellans. Die reinweißen Scheiben mit ihren prachtvollen Dekoren führen zu einer reinen Sammelwut im europäischen Adels.
Die Faszination, die von dem chinesischen Porzellan ausging, war auch am sächsischen Hof sehr ausgeprägt.
Der Alchemist Johann Friedrich Böttger behauptete Anfang des 18. Jahrhunderts, dass er aus wertlosen Materialien Gold herstellen könne. Als das dem sächsischen Kurfürsten August dem Starken in Dresden zugetragen wurde, ließ er Böttger in der Jungfernbastei einsperren, um ihn Gold herstellen zu lassen. Nach einigen Jahren wurde Johann Friedrich Böttger von Ehrenfried Walther von Tschirnhaus überzeugt, sich an dessen Versuchen zur Herstellung von Porzellan zu beteiligen und begann, Ende September 1707 in der Porzellan-Forschung tätig zu werden.



Die Experimente führten 1708 zur Erfindung des europäischen Porzellans. Vorausgegangen war 1707 die Erfindung von marmorierten Fliesen und des roten Böttgersteinzeugs (Jaspisporzellan), das noch einige Jahrzehnte neben dem Porzellan hergestellt wurde. 1710 patentierte der sächsische Kurfürst August der Starke als Auftraggeber die Herstellung und versuchte, das Verfahren als Geheimnis zu hüten.

Am 23. Januar 1710 erfolgte per Dekret von August dem Starken die öffentliche Bekanntgabe einer Gründung der „Königlich-Polnischen und Kurfürstlich-Sächsischen Porzellan-Manufaktur“ in Dresden und am 6. Juni 1710 die Einrichtung ihrer Produktionsstätte in der Albrechtsburg in Meißen. Die Manufaktur ging 1806 als „Königlich-Sächsische Porzellan-Manufaktur Meissen“ aus dem Besitz der Krone in das Eigentum des sächsischen Fiskus über. Im Zuge der verfassungsmäßigen Erneuerung des staatlichen Eigentums nannte sich das Unternehmen ab 1918 „Staatliche Porzellan-Manufaktur Meissen“. In der DDR war die Manufaktur ein Volkseigener Betrieb. Seit dem 26. Juni 1991 firmiert sie als „Staatliche Porzellan-Manufaktur Meissen GmbH“, deren Gesellschafter der Freistaat Sachsen ist. Die weltweit führende Porzellanmanufaktur gehört zu den international bekanntesten und ältesten deutschen Luxusmarken.
(Für diese Info habe ich Anleihen aus Wikipedia genommen)

Die Porzellanmanufaktur wollten wir natürlich besuchen. Es wird eine Führung angeboten, welche die Herstellung der verschiedensten Porzellangegenstände zeigt. Der Internetauftritt dazu vermerkt folgendes:
Nach traditionellen Techniken entstehen alle Meissener Porzellane bis heute in reiner Handarbeit. der Rundgang durch die Schauwerkstatt gibt Einblicke in Fertigung und Gestaltung.“

Bekannt ist uns allen sicher das Markenzeichen für Meissener Porzellan, die zwei gekreuzten Schwerter.

Die Führung begann um 10:40 Uhr, also hatten wir noch genügend Zeit, die „Mails zu checken“ und für einen Kaffee mit Kuchen im firmeneigenen Restaurant mit Freisitz.



Selbst hier auf der Marzipantorte haben sie ihre gekreuzten Schwerter verewigt.



Auf dem Weg zum Sammelpunkt für die Führung begegnete uns zuerst die Saxonia.





So sehen die Porzellanblüten aus der Nähe aus sowie die dazugehörigen Stempel zu ihrer Herstellung.



Wie die Blüten an Ort und Stelle der jeweiligen Figur oder Vase etc. positioniert werden, kann man auf diesem Foto gut erkennen, sowie die Größe und die diffizile Arbeit, die hierzu notwendig ist.



Die Figur hat lt. Führerin die Traummaße eines Models, 1,80 m groß, ein schönes Gesicht und „glanzvolles“ Äußeres. An die Herren gewandt meinte die Führerin allerdings, man könne sie nicht einfach unter den Arm nehmen, denn - obwohl hohl, wiegt sie 800 kg.

Dann begann der Rundgang durch die Schauwerkstatt, wo wir Erklärungen über Fertigung und Gestaltung des Porzellans erfuhren und den einzelnen Arbeitern über die Schulter schauen konnten.

DREHER, der erste Arbeitsschritt
Auf der Drehscheibe und unter den geübten Fingern der Dreher nehmen viele Meissener Porzellane ihren Anfang. Anders als in der industriellen Produktion werden Teller, Tassen und Vasen bis heute von Hand geformt – ein zeitaufwändiger Prozess, an dessen Ende ein feinerer Scherben steht. Zunächst wird die Porzellanmasse zur Grundform gedreht ...


... und mit sanftem Druck in eine Gipsform gepresst, die ihr Konturen und Profil verleiht.

 Auch für Köpfe u.Ä. gibt es Gipsformen.


Nach und nach wird der Porzellanmasse durch die Gipsform Wasser entzogen und der Scherben verdichtet sich.


Nach ca. 1 Stunde hat sich der Rohling vom Gips gelöst – man kann den Spalt sehen – und kann aus der Form genommen werden.


Meissener Figuren sowie einzelne Komponenten von Servicen bestehen aus mehreren Teilen – Tassen aus bis zu fünf, komplexe Figuren aus bis zu 100 – die einzeln geformt oder gegossen und anschließend von den Bossierern zusammengefügt werden.

BOSSIERER, der zweite Arbeitsschritt
Die vielen Einzelteile einer Figur oder Plastik erhalten von Meissener Bossierern ihre endgültige Form. Mit Schlicker, der verflüssigten Porzellanmasse, die als Kleber fungiert und mit viel Geschick und höchster Präzision fügen sie die einzelnen Teile zusammen.







Kleinere Dekorelemente wie Blätter und Blüten werden von Hand mit einer Schablone geformt und an der Figur angebracht. Mit unterschiedlichen, von den Bossierern selbstzusammengestellten Werkzeugen, lassen sich Details wie Lockenschwünge oder Mimik ausarbeiteten. Mit viel zeichnerischem Geschick bringen Bossierer Klarheit in die Figur und legen im Sinne des Modelleurs letzte Hand an die Form.


Das nachfolgende Bild zeigt eine komplette Figurengruppe nach allen Arbeitsschritten incl. Glasurbrand und Bemalung.


Alleine für das Fertigen dieser Gruppe benötigt ein/e Bossierer/in eine komplette Arbeitswoche mit 40 Stunden. Rechnet man noch Materialkosten, 3* Brand, Bemalung sowie die Lohnnebenkosten und eine entsprechende Gewinnmarge hinzu, dann kann man sich die Preise, die für Meissener Porzellan verlangt werden, gut vorstellen.



Könnt ihr den Preis lesen? (1290,00 €)

Nach Drehen, Bossieren und anschließendem Trocknen erfolgt der erste Brand.
Die Veränderung der Rohlinge durch das Brennen möchte ich mit einem Foto verdeutlichen.


Ganz links der getrocknete Rohling mit Fuß und Henkel, daneben der erste Brand mit 900° C, der das Material um 1/6 der ursprünglichen Größe schrumpfen lässt und das Porzellan seine Festigkeit erhält, rechts der Glasurbrand, der bei 1450° C dem Porzellan seinen Glanz verleiht. (Natürlich wird die Goldverzierung erst nach dem Glasurbrand aufgetragen, da sonst die Goldfarbe verbrennen würde)

UNTERGLASURMALEREI
Auf der porösen saugfähigen Struktur nach dem ersten Brand erfolgt nun die Unterglasurmalerei. Das Spektrum der Unterglasurfarben ist viel geringer als das der Aufglasurfarben, da nur wenige Farbstoffe der hohen Temperatur des zweiten Brandes standhalten. Bekanntestes Beispiel ist das Kobaltblau, welches für das Meissener „Zwiebelmuster“ und das berühmte Meissener Markenzeichen, die Gekreuzten Schwerter, verwendet wird.


Diese verschmelzen im Brand mit dem Scherben und bezeugen so fälschungssicher die Echtheit und Qualität des Meissener Porzellans. Die Glasur sowie alle Farben werden von der Manufaktur eigens hergestellt.

AUFGLASURMALEREI
Bei der Aufglasurmalerei werden die Farben von Hand auf die Glasur des Porzellans gemalt. Dazu wird das Farbpulver von den Porzellanmalern mit Terpentin zu einer malfähigen Farbe vermischt und auf das Porzellan aufgetragen. Aufwändige Dekore erfordern mehrere Farbaufträge und Brände.



Von filigranen Chinoiserien (Bezeichnung für eine Richtung der europäischen Kunst, die sich an chinesischem oder anderen ostasiatischen Vorbildern orientiert) über Blüten, Figuren und Landschaftsmotiven bis hin zu Tieren und Früchten – entsprechend der breit gefächerten Dekorpalette sind Meissener Porzellanmaler stets auf ein Teilgebiet spezialisiert. Modelle und Vorlagen garantieren dabei die künstlerische Authentizität des fertigen Objekts. Alle verwendeten Farben beruhen auf archivierten Rezepturen des manufaktureigenen Farblabors. Der abschließende Dekorbrand lässt die Aufglasurfarben leuchten.

Uff, das war jetzt sehr interesant und wir wurden mit einer Fülle an Informationen versorgt. Bemerkenswert ist auch, dass die Porzellanmanufaktur alle Berufe selbst ausbildet und nur soviel Auszubildende in den jeweiligen Berufssparten aufnimmt, wie nach Personalaltersplan nach Ende der Ausbildung auch fest übernommen werden können. Alleine die Ausbildung zum Bossierer dauert vier Jahre !

Nun konnten wir alleine weiterschauen und uns dem Museum und unzähligen Figuren, Teller, Vasen, aber auch Alltagsgegenstände wie Teesiebe, Spitztrichter, Waschbecken und Toilettensitze etc. widmen. Im Museum der Meissen Porzellan-Stiftung werden Exponate aus 300 Jahren Manufakturgeschichte gezeigt.
Ich habe viele Fotos gemacht, aber das wäre zuviel, alle im Blog zu zeigen. Deshalb möchte ich mich nur auf einige Besonderheiten festlegen.






Wer ein solches Stück bei sich zu Hause stehen hat, braucht eine ruhige Hand beim Abstauben und keine tobenden Kinder und Enkelkinder.


Diese zwei riesigen Vasen wurden für die Pariser Weltausstellung 1900 hergestellt und zeigen „Wasser“ und den „Frühling“.



Zum Abschluss fiel mir noch eine Orgel auf, die mit Porzellanpfeifen bestückt war. Die Beschreibung klärte darüber auf, dass es erst im Jahre 2000 gelang, zusammen mit einer Dresdener Orgelbaufirma klingende Porzellanpfeifen herzustellen.





































Ist dann die Planung der Frauenkirche, die Orgel mit Porzellanpfeifen zu bauen, doch nicht so unmöglich? Wir werden sehen.

Nach einem Mittagessen, das wir wieder im Restaurant der Porzellanmanufaktur einnahmen (die brauchen das Restaurant, wenn die Besuchergruppen mit Bussen ankommen), spazierten wir gemächlich zum Historischen Markt, um heute das Porzellanglockenspiel der Meissener Frauenkirche zu hören.



Am „Hotel & Cafe Am Markt Residenz“ setzten wir uns bei herrlichem Sonnenschein gleich neben der Frauenkirche ins Freie und genossen Eiskaffee und Cappuccino und warteten …
Aber jetzt, die Porzellanglocken beginnen ihren Choral.



Vorbei an wunderschönen historischen Gebäuden gingen wir zurück zu unserem WOMO, nicht ohne einen letzten Blick zum Turm der Frauenkirche zu werfen: man konnte hinaufsteigen und einige genossen sicher den Blick über Meissen aus dieser luftigen Höhe.



Mit dem letzten Foto für heute konnte ich auch noch das Tuchmachertor festhalten, das den Baustil der Renaissance zeigt. Die Tuchmacherzunft erteilte damals den Auftrag für seine Fertigung, wodurch das Tor bis heute seinen Namen hält.


Dann gingen auch unsere 2 Tage Meissen zu Ende und am späteren Nachmittag machten wir uns auf den Weg ins knapp 20 km entfernte Moritzburg.

Aber wir konnten nicht dorthin, denn über Radio hörten wir, dass um Moritzburg eine großflächige Umleitung eingerichtet war wegen der heute, am Sonntag, stattfindenden Hengstparade.
Also suchten wir uns ganz in der Nähe von Moritzburg an einem Wander- und Picknickplatz eine Übernachtungsmöglichkeit. Dabei kamen wir noch in den Genuss der dort verkehrenden Lößnitzgrundbahn, die mit historischen Lokomotiven und Wagen aus der Frühzeit der sächsischen Schmalspurbahnen den Traditionsverkehr zwischen Radebeul nach Ost-Radeburg mehrmals täglich aufrecht erhält.

 Und morgen geht's nach Moritzburg.







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